In "Kirschendiebe oder als der Krieg vorbei war" erzählt Anke Bär aus Sicht der 11-jährigen Lotte über die Nachkriegszeit in einem kleinen Dorf. Sie lebt mit Eltern und Geschwistern, Opa und Oma, weiteren Verwandten und der Familie des neuen Försters im Forsthaus des Dorfes. Nachdem ihr Vater als Soldat eingezogen wurde, hat es die Familie dorthin verschlagen. Außerdem brauchte Tante Hilde "Trost in schwerer Zeit". Onkel Fritz, der ehemalige Förster, ist schon tot, "totgeschossen als Soldat". Ihr Vater ist äußerlich unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt. Aber es gibt Tage, da wünscht sich Lotte, dass er nicht ihr Vater wäre. Dann schreit er rum, wirft Teller und Tassen auf den Boden, "obwohl wir so wenig haben". Opa war zwei Jahre in einem Lager. "Dort haben sie untersucht, was genau er während des Krieges gemacht hat und ob durch sein Handeln unschuldige Menschen getötet wurden". Doch es wird auch von vielen unbeschwerten Tagen erzählt und man erhält einen Einblick, wie Kindheit in der Nachkriegszeit gewesen ist oder gewesen sein könnte.
Das Buch ist in 36 kurze Kapitel unterteilt und eignet sich sowohl zum Lesen für Kinder ab 10 Jahren, als auch zum Vorlesen durch die Eltern oder auch Großeltern. Die Großeltern sind vielleicht selber in der Nachkriegszeit aufgewachsen und können eigene Geschichten erzählen. Dies regt Anke Bär auch in ihrem Nachwort an und erzählt, was sie zu diesem Buch inspiriert hat. Außerdem sind im Nachwort wichtige Ereignisse der Nachkriegszeit mit Datum aufgeführt. Es gibt Hinweise auf Museen und Buchtipps, wenn man sich weiter der Nachkriegszeit beschäftigen will.
Das Buch ist wunderschön gestaltet. Anke Bär ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Illustratorin. So hat sie ihr Buch durchgehend mit eindrucksvollen Bleistiftzeichnungen illustriert. Ihre Bücher "Wilhelms Reise" und "Endres, der Kaufmannssohn" wurden für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ich finde, dass auch dieses wichtige Buch eine Nominierung verdient hat!
"Es ist das größte Glück der Welt, dass wir hier gelandet sind. Auch wenn es das größte Unglück der Welt ist, das uns hergebracht hat." Lotte wohnt in einem Forsthaus, obwohl ihr Papa gar kein Förster ist. Grund dafür ist der Krieg, der ihrem Vetter Knut den Vater genommen hat und Lehrer Fettig ein Auge. Seit die grässliche Frau Greßmann im Forsthaus das Sagen hat, ist vieles verboten - Kirschenpflücken zum Beispiel. Doch Lotte lässt sich nicht unterkriegen. Wer Kirschen haben will, muss sie eben klauen. Und dass nur Jungs Lederhosen tragen dürfen, sieht sie schon gar nicht ein! Ein Buch, das von einer Kindheit in der Nachkriegszeit erzählt und zu vielen Gesprächen zwischen den Generationen Anlass gibt.
Anke Bär studierte in Hildesheim Kulturwissenschaften und Ästhetische Praxis. Heute lebt sie als freischaffende Illustratorin in Bremen. Wilhelms Reise, ihr Debüt auf dem Buchmarkt, und Endres der Kaufmannssohn waren für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
Anke Bär über "Kirschendiebe" "Lottes Geschichte ist ein Dreiklang aus Gehörtem, selbst Erfahrenem und Erfundenem. Die Kindheit meiner eigenen Mutter bildet den Kern der Geschichte. Etliche Zeitzeugen haben in Interviews Anekdoten beigesteuert. Ich habe eine große Hochachtung davor, was meine Mutter und all ihre Zeitgenossen bewältigt haben. Vieles war schwierig damals. Der damalige Mangel hat die Menschen erfinderisch gemacht. Von diesem Erfindungsreichtum, der Wertschätzung gegenüber Dingen, können wir uns in unserer heutigen Konsumgesellschaft eine Scheibe abschneiden. Mein Wunsch ist es, über Lotte die Generationen miteinander ins Gespräch zu bringen, insbesondere natürlich die Kinder der Kriegs- und Nachkriegsjahre mit den Kindern und Jugendlichen von heute. Ich freue mich auf gemeinsame Veranstaltungen!"