Der letzte Zeitungsleser

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medienprofile-Rezension

Eine köstliche Hommage an die Vielfalt der deutschsprachigen Zeitungslandschaft, die wohl nicht zu retten sein wird.
Ein Medium verschwindet. In kaum einem Briefkasten steckt morgens noch eine Tageszeitung. Michael Angele hält sich aber nicht mit einem Klagelied auf die gute, alte Zeit auf, er belegt seine nachdenkliche Analyse auch nicht mit Statistiken und Verlaufskurven, er hält aber unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, denn die in vielen bürgerlichen Gesellschaftskreisen verbreitete Zeitungslektüre am Morgen war nicht nur eine "Nachrichtendarreichungsform", sondern eine Lebensform, ein Ritual, bei dem sogar die Reihenfolge des Lesens der Teile einer Zeitung wichtig und immer gleich war, sodass das Buch bis zur Behauptung geht, manche Ehe wäre ganz anders verlaufen ohne Zeitung ... Angeles liebenswertes und hochintelligentes Büchlein und sein ansprechendes Design in Kolumnen, die sich lesen lassen wie Zeitungsbeiträge, ist zwar noch kein "Nachruf", aber ein liebenswertes "Monument" für eine einzigartige Kulturleistung: die Tageszeitung. Eine besondere Note bekommt sein Buch durch die vielen treffenden Zitate und Beispiele, auch durch die Schilderung der Welt vieler Literaten und ihrer Cafés, in denen sie verkehrten, einfach um Zeitung zu lesen. Diese Zeit und ihre Lebensumstände sollten nicht unerwähnt untergehen. Ein hübsches Bändchen für nachdenkliche Leser/innen.

Eine herzbrechende Liebeserklärung an ein verschwindendes Medium.

»Dahinter steckt immer ein kluger Kopf.« David Wagner zu Michael Angeles Der letzte Zeitungsleser

Zugegeben, nicht jeder Zeitungsleser ist so fanatisch wie Thomas Bernhard: Als er dringend einen Artikel in der NZZ lesen wollte, diese aber im heimischen Ohlsdorf nicht zu haben war, machte er sich auf nach Salzburg; aber da gab es die Zeitung auch nicht. Also ging es nach Bad Reichenhall, dann nach Bad Hall, dann nach Steyr und am Ende waren 350 Kilometer zurückgelegt auf der Suche nach dem Suchtstoff. Manchen geht es nicht unähnlich, wenn keine Zeitung zur Hand ist. Doch egal wie stark die Sucht gar nicht so weniger auch sein mag - die Vielfalt der deutschsprachigen Zeitungslandschaft, ja die Tageszeitung an sich, wird wohl nicht zu retten sein. Da geht etwas verloren.

Michael Angele (der u. a. Chefredakteur der ersten deutschen Internetzeitung war und alles andere als neuerungsfeindlich ist) läs
st mit wehmutsvoll wachem Blick Revue passieren, was alles verschwindet: nicht nur eine Nachrichtendarreichungsform, nein - eine Kulturleistung, ja eine Lebensform.

Das fängt bei der Umgebung an, in der man seine Zeitung zu lesen pflegt, dem Ritual, welchen Teil wann. Und geht weiter bei der durch das Blatt in Gang gesetzten (oder verhinderten) Kommunikation am Frühstückstisch - manche Ehe wäre ohne Zeitung ganz anders verlaufen. Und wie soll sich das Gefühl kosmopolitischer Weltläufigkeit einstellen, wenn man in einer New Yorker Hotellobby am Handy Spiegel Online statt die New York Times liest?

Mit Herzblut geschrieben, mit Scharfsinn gefasst: Wenn einst das letzte Exemplar einer gedruckten Zeitung vergilbt und zerfallen sein wird, hat Michael Angele mit Der letzte Zeitungsleser der Lebensform Zeitung schon längst ein Monument gesetzt.

Angele, MichaelMichael Angele ist Autor der Wochenzeitung der Freitag. Vorher war er bei den "Berliner Seiten" der FAZ und Teil der Chefredaktions-Doppelspitze der Netzeitung, der ersten deutschen Internetzeitung. 2016 erschien sein Buch Der letzte Zeitungsleser.

Liebenswerte und originelle Hymne. Hervorragend. Münchner Merkur
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